Gerade wurde ich gefragt, wie ich darauf gekommen bin, mich ausgerechnet schreibend diesem Thema zu nähern. Und worüber ich dann so schreibe. Das war meine Antwort:
„Weißt du, ich bin immer davon ausgegangen, dass meine Kindheit und Jugend so war, wie sie oberflächlich aussah: Der etwas kühle aber beherrschte Vater mit seinem Kriegstrauma und die total durchgeknallte aufgeregte Mutter, die ständig einen Streit vom Zaun brach, unberechenbar war und vor der ich mich schützen musste. Und Vater, der Ärmste, der das nicht konnte, nein, den vielmehr ich zu schützen hatte. Ich hab oft mit meinem jetzigen Mann geredet und mich gefragt, wieso mein Vater eigentlich so wenig Rückgrat hatte.
Im letzten Jahr erlebte ich in einer evangelikalen Freikirche narzisstischen Missbrauch und Mobbing nach Handbuch. Ja, ich weiß, alle Narzissten handeln in Stresssituationen mehr oder weniger so, als hätten sie ein geheimes Regelwerk, das ihnen die nächsten Schritte vorgibt. Das ändert aber nicht an dem Schaden, den sie dabei anrichten. Man kann es mit etwas Erfahrung vorhersehen, beobachten, reagieren – verletzend ist es doch. Täter war in diesem Fall der Pastor, der alle Register der narzisstischen Klaviatur zog und dabei auch ganz klassisch seine Flying Monkeys in Position brachte. Ich erlebte den narzisstischen Kreislauf aus Lovebombing, Entwertung, Abschuss und Hoover in Perfektion. Es war anstrengend und irgendwie creepy, aber auch sehr lehrreich.
Durch die Vorgänge in der Kirche wurde ich stutzig: Der Pastor legte eine ähnliche Vorgehensweise an den Tag wie mein Vater: Everybody’s Darling aber ohne jedes Verantwortungsgefühl. Ruhig, aber auf chirurgische Art und Weise immer in den schwachen Stellen seiner Schäfchen herumbohrend, genau dort, wo es weh tat. Unfähig, die teilweise gravierenden Folgen seines Tuns abzuschätzen. Und dabei unfassbar kritikunfähig. Als ich ihn sachlich kritisierte ließ er im wahrsten Sinne des Wortes eine Atombombe platzen, die dazu führte, dass mein Mann aus der Kirche geworfen wurde, wir beide Hausverbot erhielten und der Gemeinde nahegelegt wurde, den Kontakt zu uns abzubrechen. Diffamierung und Schmierenkampagne inklusive.
Ein Paradebeispiel für einen narzisstischen Kreislauf und narzisstische Wut. Dann gab es die Flying Monkeys, die sich erst an uns heranschleimten, ihm Informationen über uns brachten und uns dann für verrückt erklärten. Ein Klassiker. Wir leben inzwischen mit einigem Abstand im Ausland, da lässt sich der von allen Spezialisten empfohlene No-Contact besser durchziehen.
Das zur Hintergrundgeschichte. Was mir auffielt war die Ähnlichkeit zu meiner Familiengeschichte: Das Kontaktverbot zu anderen, die soziale Isolation, die verdrehte Kommunikation, der Bezug auf Gott bei den absurdesten Aussagen…. und dann kam mir der Gedanke, ob es denn wirklich meine Mutter war, die so verrückt war, oder ob das nicht in erster Linie von meinem Vater ausging, der es beherrscht und ruhig schaffte, die Fäden zu spinnen und meine Mutter damit völlig durcheinanderbrachte und zu diesem Verhalten trieb.
Ich wusste es nicht. Also nahm ich mir eines Tages im PC ein Mindmap vor und schrieb in die Mitte: Vater. Und dann das erste, was mir dazu einfiel. Und auf einmal sprudelten die Assoziationen. Mutter kam dazu, Erinnerungen an Aussagen meines Bruders, die Frauenfeindlichkeit in unserer Familie, der Geltungstrieb meines Vaters, die Unterwürfigkeit meiner Mutter, die das deckte, der Chauvinismus, der geistige Missbrauch schon damals…. völlig ungefiltert … und plopp, auf einmal erkannte ich die Parallele zu meinem damaligen Partner, mit dem ich mir ein Haus gebaut und der mich dann abgesägt hatte, als es fertig war. Das war doch auch so ein Mensch wie Vater und diesmal spielte ich die Rolle meiner Mutter…. und ich hatte noch vor wenigen Monaten so sehr um ihn getrauert …. und plopp … wieso hab ich das eigentlich mit mir machen lassen?…. dann kam ich zu den Werten, die mir vermittelt worden waren… „sorg dafür, dass es uns gut geht, sorg dafür, dass die Gesellschaft nur gutes von uns denkt, halte alles unter dem Deckel „… und so weiter und so fort.
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen neuen Zusammenhang entdecke und ein neues Puzzleteil dazu kommt. Vielleicht verarbeite ich das eines Tages einmal in einer Geschichte, vielleicht auch nicht. Es ist nur so schön, jetzt Klarheit zu gewinnen.
Dazu kommen nun noch gezielte Schreibtechniken um das Unterbewusstsein zu öffnen. Therapeutisches Schreiben nennt sich das. Und die generieren wieder neue Ideen, die ich in mein Mind-Map-System einordne und gucke, was mir irgendwann einmal dazu einfällt. Wie gesagt, ganz chaotisch, die Ordnung ergibt sich dann schon irgendwann. Es gibt auch dafür Techniken, die im Moment jedoch noch keine Relevanz haben. Ich bin davon überzeugt, dass das Unterbewusstsein genau das zeigt was wir gerade ertragen können, und im Moment sprudelt es. Mein Hauptgefühl ist: Wie konnte ich nur so blind sein? Das ist die kognitive Dissonanz, die sich gerade auflöst. Nicht schön, aber wahr. Und es tut gut zu sehen, dass der Lebensweg, der bei mir doch leider überwiegend aus Scheitern bestand, doch zumindest in sich einen roten Faden, eine Logik trägt.“ Ich glaube, das ist das Wichtigste: Das eigene Leben verstehen. Das ist Selbst-Empowerment.
Und da ich so begeistert bin von dieser Entwicklung, nehme ich euch gerne mit auf diese Reise. Aus eigener Erfahrung ist es mir eine echte Herzensangelegenheit. Denn frei von den Stricken der Vergangenheit selbstbestimmt sein Leben zu leben, das hat wirklich jeder und jede verdient. Egal wo. Egal wann. Es ist nie zu spät.