Narzisstischen Missbrauch überwinden

Schlagwort: Bewusstheit

Die kognitive Dissonanz überwinden

Ein Phänomen, welches viele Überlebende von narzisstischem Missbrauch betrifft, ist die kognitive Dissonanz. Dies ist eine verzerrte Wahrnehmung der Realität, die zu fehlerhaften Entscheidungen führt, bei gleichzeitiger Unfähigkeit, dies zu erkennen und zu ändern.

Doch worum handelt es sich bei der kognitiven Dissonanz?

Unvereinbare Gedanken oder Überzeugungen oder ein Verhalten, das nicht mit unseren Werten konform geht, kann dazu führen, dass wir emotional unter Stress geraten. Die kann sich in Unsicherheit, Zweifeln oder Schuldgefühlen äußern.

Befinden wir uns in einer narzisstischem Missbrauchsdynamik, besteht häufig die Gefahr, dass wir – der Beziehung, bzw. dem Täter zuliebe – gegen unsere eigenen Werte und Überzeugungen handeln. Oft stellt sich im Nachhinein die Frage, weshalb wir das getan haben, anstelle uns vom Täter zu distanzieren – wie es uns unser gesunder Menschenverstand und auch unser Umfeld raten würde. Doch hierzu waren wir in der Regel aufgrund der Trauma-Bindung, in der wir uns befunden haben, nicht in der Lage. Was das ist, und warum es so schwer ist, sich aus so einer Beziehung zu lösen, das habe ich im Artikel „Traumabonding“ genauer beschrieben. An dieser Stelle sei nur kurz festzustellen: „Einfach zu gehen“ ist in narzisstischen bzw. toxischen Beziehungen in der Regel leichter gesagt als getan. Und so kommt die kognitive Dissonanz als Überlebensstrategie ins Spiel.

Wenn wir uns in einer Beziehung mit einem narzisstisch missbrauchenden Partner befinden, erleben wir oft negative Emotionen wie Traurigkeit, Angst oder Wut. Allerdings erleben wir auch positive Gefühle wie Freude, Intimität oder Verbundenheit. Diese positiven Emotionen können dazu führen, dass wir unsere Sichtweise zu Gunsten des Täters verzerren und damit kognitive Dissonanz erzeugen. Dies geschieht, weil wir unsere Entscheidungen auf die empfundene Liebe und Verbundenheit stützen, obwohl der Täter uns tatsächlich schadet. Wir versuchen, die Fakten so zu interpretieren, dass sie unseren Emotionen entsprechen und biegen sie gerade so hin, dass unsere Handlungsweise gerechtfertigt ist.

Die Rolle der Traumabindung

Eine zentrale Komponente der kognitiven Dissonanz bei narzisstischem Missbrauch ist die Tatsache, dass der Täter oft als idealisiertes Objekt dargestellt wird, während der Überlebende als minderwertig und defekt angesehen wird. Dies kann dazu führen, dass der Überlebende seine eigenen Gedanken und Gefühle verleugnet, um die Beziehung aufrechtzuerhalten.

Dieser Mechanismus wird oft durch eine Technik namens Gaslighting verstärkt, die dazu dient, das Vertrauen und die Selbstachtung des Überlebenden zu untergraben. Indem der Täter falsche Informationen bereitstellt oder bestimmte Ereignisse umdeutet, wird das Opfer in einen Zustand der Verwirrung und Desorientierung gebracht, der schließlich dazu führen kann, dass es seine eigene Wahrnehmung der Realität infrage stellt.

Diese Art von emotionaler Manipulation kann schwerwiegende Konsequenzen haben, da sie den Überlebenden daran hindert, klare und objektive Entscheidungen zu treffen. Unter Umständen kann sie sogar dazu führen, dass der Überlebende die Übergriffe und den Missbrauch des Täters verharmlost oder relativiert, auch wenn diese schwerwiegend sind.

Folgen der kognitiven Dissonanz

Die Folgen der kognitiven Dissonanz können verheerend sein. Die Verzerrung der Realität kann dazu führen, dass Überlebende in einer missbräuchlichen Beziehung verbleiben, obwohl sie bereits Schäden erlitten haben, und dass sie selbst die inakzeptablen Verhaltensweisen des Täters tatsächlich rationalisieren. Es ist auch häufig, dass die Betroffenen auf ihre eigenen Bedürfnisse verzichten und sich stattdessen den Bedürfnissen des Täters unterordnen. Dies kann zu einem schweren Identitätsverlust, Trauma-Symptomen und sogar Posttraumatischen Belastungsstörungen führen.

Als Überlebender von narzisstischem Missbrauch ist es nicht selten, dass man sich bei der Analyse der eigenen Handlungen und Entscheidungen nach Ende der Missbrauchssituation verwirrt fühlt. Wie konnte man nur so lange im umgebenden Chaos agieren, obwohl doch alles so offensichtlich falsch und schädlich war? Wie konnte man so lange die Augen vor der Wahrheit verschließen?

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die kognitive Dissonanz eine normale Reaktion auf eine ungesunde Umgebung ist. Es hilft uns dabei, mit schwierigen Situationen umzugehen und uns zu schützen. Für uns ist es in der missbräuchlichen Beziehung wichtig gewesen, dass wir uns für den Täter entschieden haben, um unsere Überlebenschancen zu erhöhen. Deshalb sollten wir uns nicht für das Vorhandensein von kognitiver Dissonanz verurteilen lassen, sondern uns bewusst machen, dass wir auf eine für uns notwendigen Weise gehandelt haben.

So lässt sich die kognitive Dissonanz reduzieren

Um die kognitive Dissonanz nach narzisstischem Missbrauch zu reduzieren, gibt es verschiedene Maßnahmen, die Überlebende ergreifen können. Hier sind einige Schritte, die helfen können:

1. Sich der Realität stellen

Eine der wichtigsten Maßnahmen, um die kognitive Dissonanz zu reduzieren, ist, sich der Realität zu stellen. Dies bedeutet, sich bewusst zu machen, was tatsächlich passiert ist und welchen Schaden der Missbrauch verursacht hat. Es ist wichtig anzuerkennen, dass die verzerrte Wahrnehmung der Realität ein Überlebensmechanismus war, aber nun nicht mehr notwendig ist. Durch die Begegnung mit der Realität kann die Dissonanz schrittweise reduziert werden. Das kann ein schmerzhafter Prozess sein, weswegen es wichtig ist, achtsam mit sich selbst umzugehen und für einen emotionalen Ausgleich durch Dinge, die einem gut tun, zu sorgen.

2. Externes Feedback suchen

Um die eigene Wahrnehmung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, kann es sinnvoll sein, externes Feedback von vertrauenswürdigen Personen einzuholen. Dies kann von Therapeuten, Freunden oder Familienmitgliedern erfolgen, die in der Lage sind, eine objektive und realistische Sichtweise zu vermitteln.

3. Sich selbst vergeben

Oftmals fühlt sich der Überlebende von narzisstischem Missbrauch schuldig oder verantwortlich für das Geschehene. Um die kognitive Dissonanz zu reduzieren, ist es wichtig, sich selbst zu vergeben und zu erkennen, dass die Schuld beim Täter liegt. Mit der Akzeptanz dieser Tatsache kann eine schrittweise Reduktion der Dissonanz stattfinden.

4. Neue Erfahrungen machen

Um die kognitive Dissonanz zu überwinden, kann es sinnvoll sein, neue Erfahrungen zu machen. Dies kann bedeuten, neue Freundschaften zu schließen, sich in neuen Kontexten zu bewegen oder neue Dinge auszuprobieren. Durch die Erweiterung des eigenen Horizonts wird die verzerrte Wahrnehmung der Realität nach und nach angepasst und reduziert.

Niemand muss diesen Weg allein gehen. Es kann hilfreich sein, sich die Unterstützung von Therapeuten, Beratern, Freunden oder Familienmitgliedern zu suchen, die einem dabei helfen, einen gesunden Blick auf die Realität zu entwickeln und eigene Bedürfnisse und Ziele zu erkennen.

Und auch das Schreiben stellt eine Möglichkeit dar, den Nebel im Kopf zu lichten und Klarheit über die Realität, das Erlebte und die nun wieder neu zu entdeckenden eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erlangen.

Herzlichst

Frances

Was ist therapeutisches Schreiben?

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Im Anschluss an narzisstischen Missbrauch tragen wir in der Regel eine ganze Batterie von negativen Emotionen und Überzeugungen mit uns herum. Das ist nicht verwunderlich, waren wir doch eine Zeitlang ein gut funktionierender seelischer Mülleimer für die narzisstisch gestörte Person. Therapeutisches Schreiben zielt darauf ab, eine Befreiung von diesen belastenden negativen Gedanken und Gefühlen zu erreichen und das Erlebte neu einzuordnen.

Im Gegensatz zur Psychotherapie, die von einem Therapeuten begleitet wird und schwere Traumata behandelt, ist das therapeutische Schreiben für psychisch stabile Menschen gedacht, die bestimmte negative Erfahrungen verarbeiten möchten. Durch das Scheiben kannst du diese Erfahrungen in gesunder Distanz gedanklich ordnen, ausdrücken und besser verstehen.

Der Schreibprozess ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit Erlebnissen und bietet dabei auch einen ganz persönlichen Schutzraum. Das Ziel des therapeutischen Schreibens ist es, das Innerste zum Ausdruck zu bringen und die Welt verständlicher zu machen, Distanz zu den Ereignissen zu gewinnen und diese zu reflektieren. Dieser Prozess ermöglicht es, neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Seele und Verstand werden befreit. Du kannst wieder Kraft schöpfen, um dich auf das Leben in all seinen Facetten einzulassen.

Schreiben als Prozess der Selbsterkenntnis

Freiheit und Spontaneität sind beim therapeutischen Schreiben das A und O. Lasse dich nicht – wieder einmal – durch Regeln oder Vorgaben einschränken und achte nur auf dich selbst. Erlaube dir, spontanen Gedanken und Gefühlen zu folgen und diese in Worte zu fassen, die für dich stimmig sind. Vorkenntnisse brauchst du nicht.

Du kannst dir zum Beispiel ein unangenehmes Ereignis vornehmen und versuchen, dieses zu beschreiben. Dabei achtest du auf deine Gefühle, auf Worte, die ausgedrückt werden wollen, aber auch auf innere Widerstände. Welche Erkenntnisse gewinnst du daraus?

Möglicherweise kannst du bereits einen roten Faden erkennen – eine Haltung zum Leben, eine Art, Dinge zu betrachten und zu bewerten, die typisch für dich sind. Oder einen, der sich durch das Ereignis, das dich immer wieder beschäftigt, kontinuierlich zieht. Ich gratuliere dir dazu: Der Prozess des therapeutischen Schreibens hat bereits seine Wirkung entfaltet.

Es liegt in der Natur der Sache, dass du beim therapeutischen Schreiben traurige und verletzende Erfahrungen aufarbeitest. Doch auch das Schöne, das, was das Leben hell und freundlich macht, soll zu Wort kommen dürfen.

Schreiben als künstlerischer Prozess

Beim therapeutischen Schreiben finden die üblichen Maßstäbe, die an literarisches Schreiben gestellt werden, keine Anwendung. Nichtsdestotrotz trainierst du deine Schreibfähigkeit, kannst du deine Ergebnisse sammeln und eventuell an anderer Stelle künstlerisch weiterverarbeiten. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auch ich habe schon autobiografische Erlebnisse und Erinnerungen in literarischen Geschichten verarbeitet und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Der Nutzen des therapeutischen Schreibens liegt jedoch an dieser Stelle ganz klar auf dem positiven Einfluss auf unser Leben. Wir können uns von belastenden Erinnerungen befreien – ganz in unserem eigenen Tempo. Gleichzeitig – und das ist vor allem bei Überlebenden von narzisstischem Missbrauch ausgesprochen wichtig – können wir unsere Sichtweise auf die Dinge überprüfen und neu bewerten. Wir kommen auch an Themen heran, die wir nicht sehen wollten, und die umso mehr Macht über unser Unterbewusstsein erlangt haben. Wir gelangen zu Erkenntnissen, die wir bislang vermieden haben. Wenn wir die Dinge benennen können, haben wir sie verstanden. Nimm diese Freiheit, die du beim Schreiben machst, in deinen Alltag auf und erlaube dir, die Dinge wieder aus deiner ganz eigenen Perspektive zu betrachten, einzuordnen und neu zu gestalten.

Das leistet therapeutisches Schreiben

Jede Übung des therapeutischen Schreibens trainiert das Bewusstsein und die Selbstbestimmung. So kommst du Schritt für Schritt wieder zurück in deine Kraft und kannst das Ruder deines Lebens wieder selbst in die Hand nehmen. Durch eine Neubewertung der Ereignisse kannst du Grübelschleifen sprengen und dich von eventuellen Schuld- und Schamgefühlen befreien. Du bekommst neue Antworten und einen neuen Blickwinkel auf die Siutation. Dabei bist du völlig frei. Du kannst das Geschehene aus verschiedenen Perspektiven betrachten, die Ereignisse verdichten, verändern, beschleunigen, verlangsamen, mit den Geschehnissen spielen, so lange, bis sie dich nicht mehr belasten. So kannst du die Erfahrungen neu bewerten und in dein Leben integrieren. Selbst lange verdrängte Erlebnisse – können so behutsam wieder an die Oberfläche geholt, neu geordnet und endlich als vergangen begriffen und losgelassen werden. In der Psychologie bezeichnet man dies als Katharsis – sie kann kurz schmerzhaft sein, ist dann jedoch etwas ausgesprochen Befreiendes, das dir neue Energie für dein zukünftiges Leben gibt.

Nun kannst du deine Geschichte neu erzählen und einen kraftvollen Schlusspunkt hinter das Erlebte setzen. Der Blick wird frei für das Leben, das vor dir liegt. Du bist wieder der Protagonist oder die Protagonistin in deinem eigenen Leben.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg.

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